Julian Slagman is a photographer currently working between Malmö (SE) and Hamburg (DE). His work centers on the significance of paying attention to the act of seeing. He publishes books, photographic reactions, image studies and texts on an ongoing basis and at irregular intervals.
Sandkörner, Linda Baumgartner
Wisst ihr noch, wie wir aus dem Waldgeflecht eine archaische Welt zogen? Wir liefen über die Wirbelsäule ausgestorbener Reptilien, verkauften den Geistern ein Gesicht aus Flechten und Moos und zupften Libellenskelette aus dem Wolfsfell. Wir waren weich wie Weinbergschnecken, amorph wie Amöben und hatten wilde Stellen im Herz. Wisst ihr noch, wie wir im Haus der Moderne gegen die sterilen Träume revoltierten? Aus den Schwarz-Weiß-Bildern lehnten städtische Händler und elegante Damen, die durch Türen aus feinstem venezianischem Glas schritten und in der Hinterwelt, auf dem schwebenden Perserteppich, Walzer und Tango tanzten. Wisst ihr noch, wie wir Planeten aus Sand formten und Städte aus Lakritze bauten? Wir ließen Figuren unter die Haut ziehen, wurden Könige mit Insekten im Gesicht, mächtige Kalifen mit roten Lippen und Netzstrümpfen und rebellische Nixen mit Augen aus grünen Edelsteinen. Weißt du noch, wie du mir von deiner Welt hinter den Augen erzähltest? Von Zebrafaltern und Wildschweinen? Die Sonne schmolz auf deiner Stirn, ein Schatten holte uns auf den Boden und vernetzte uns mit Meridianen. Spürst du noch das Gras zwischen den Fingern, den kühlen Mond, der in das Zwielicht der Erde wanderte? Die Augustnächte fächerten sich auf, legten ein zartschimmerndes Lichtband aus. Wir leuchteten in verschiedenen Farben, vernähten die Risse im Himmel und bedecken ihn mit Azur, Cyan und Nachtblau. Du bist ein Jäger, der durch das Regime der Lücke schleicht, auf der Suche nach Möglichkeiten, Zeichen und durchlässigen Zonen. Du schälst Dimensionen aus der Materie und verschwindest in den Raumtiefen der Sternbilder. Wir ziehen aus den Haaren des Himmels eine glatte Oberfläche und legen sie in die blaue Ferne. Ist der Abstand groß genug, wechselt der Körper die Gestalt: Wir schweifen über die symbolische Haut, zählen die Muttermale, die euch gewachsen sind, mustern die Körper, die sich in Punkten auflösen und das Gewicht verlieren. Bis zu welchem Punkt müssen wir gehen, damit wir unsichtbar werden? Sagt, bis zu welchem Punkt müssen wir gehen, und was nehmen wir mit?